Im Gespräch mit Simona Brizzi

Interview mit Simona Brizzi

Simona Brizzi kam vor etwa dreissig Jahren zum ersten Mal mit den «Sammlungen Pestalozzianum» in Kontakt, als sie im Rahmen ihrer Seminararbeit «Die Entwicklung der Kinderzeichnung bis zum fünften Lebensjahr» untersuchte. Sie absolvierte ein mehrmonatiges Praktikum in einer Kinderkrippe in Kanada, beobachtete die Kinder und sammelte viele Kinderzeichnungen. Auf der Suche nach weiterem Material und Literatur wurde sie im ehemaligen «Pestalozzianum» in Zürich fündig. Seitdem ist im Leben der gebürtigen Aargauerin viel passiert: Nach ihrem Lehramtsstudium begann sie in einer Teilzeitanstellung als Sekundarschullehrerin zu unterrichten, studierte parallel dazu an der Universität Zürich Erziehungswissenschaften und unterrichtete anschliessend an der Hochschule für Heilpädagogik in Zürich (2002-2018). Sie ist Mutter von drei fast erwachsenen Kindern und unterrichtet seit 2018 als Dozentin im Bereich Bildung und Erziehung an der Pädagogischen Hochschule Zürich, ist Organisationsberaterin und Supervisorin (bso) und nach insgesamt 12 Jahren im Aargauer Kantonsparlament seit Dezember 2023 Mitglied des Nationalrats.

Frau Brizzi, Sie kamen zum ersten Mal als Studentin mit den «Sammlungen Pestalozzianum» in Berührung. Was hat Sie dazu bewogen, 30 Jahre später dem Stiftungsrat Pestalozzianum beizutreten?

Die Idee der Stiftung, sich über die üblichen Grenzen des Alltags hinweg für eine starke Volksschule und ein leistungsfähiges Bildungssystem einzusetzen, war auch mir stets ein grosses Anliegen. Die Anfrage des damaligen Stiftungsratsmitglieds Urs Meier hat mich sehr gefreut. Nachdem ich die Organisation und die Aufgaben der Stiftung Pestalozzianum kennengelernt hatte, wusste ich, dass ich sehr gerne einen Beitrag leisten möchte.

Sie wurden diesen Herbst in den Nationalrat gewählt. Was sind die drei wichtigsten Themen, die Sie mit Ihrem Mandat zu beeinflussen hoffen?

Auf nationaler Ebene gibt es einen grossen Strauss an Themenbereichen. Ich werde mich in Bern für tragfähige Lösungen zum Wohl einer sozialen, familienfreundlichen, ökologischen und wirtschaftlich starken Gesellschaft einsetzen. In Bezug auf die Bildung besteht beispielsweise in den Bereichen Chancengerechtigkeit, Politik der frühen Kindheit und der Inklusion bis hin zum Zugang zum Europäischen Forschungsraum Handlungsbedarf.

Die Schweiz muss gerade im Rahmen des Fachkräftemangels alles dafür tun, alle Talente zu fördern.

Simona Brizzi

Woran erkennen Sie, dass es bezüglich Chancengerechtigkeit Handlungsbedarf gibt?

Ganz aktuelle Studien und Zahlen belegen einmal mehr, dass bereits die Startchancen ungleich nach sozialer Herkunft verteilt sind. Die sozioökonomischen Ressourcen und das Aufwachsen in einem anregenden Umfeld schaffen «eine Schieflage» zugunsten der sozial privilegierten Kinder. Die bei der Einschulung bestehende Leistungsstreuung weitet sich bis Ende der Volksschule noch weiter aus. Die Chancengerechtigkeit ist für unsere Gesellschaft zentral. Die Schweiz muss gerade im Rahmen des Fachkräftemangels alles dafür tun, alle Talente zu fördern

Was wünschen Sie sich für die öffentliche Bildung?

Wir müssen der öffentliche Bildung Sorge tragen. Wir brauchen auf allen Stufen eine hervorragende Bildung mit qualifizierten Lehrpersonen. Zudem sollen die Bildungserfolge und -abschlüsse bei vergleichbarer Begabung und Anstrengung für alle Menschen in gleichem Masse möglich sein. Alle Bildungsräume bis zu den Universitäten und den Eidgenössischen Technischen Hochschulen müssen weiter gestärkt und insbesondere im Tertiärbereich international wettbewerbsfähig bleiben.

Ein letztes Wort?

Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit im Stiftungsrat und werde mich sehr gerne für die politische Vernetzung der Stiftung auch auf nationaler Ebene einsetzen.