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Fundstücke
Freiluftschulen: Bildung und Gesundheit zur Zeit der Spanischen Grippe
Vor über 100 Jahren hielt eine Pandemie die Welt fest im Griff: die Spanische Grippe, ein bis heute unübertroffenes pandemisches Ereignis. Es ist daher nicht erstaunlich, dass wir in den Sammlungen der Stiftung Pestalozzianum auch interessante Funde mit innovativen Lösungsvorschlägen zum Thema Schule und Gesundheit aus genau dieser Zeit finden, denn gerade in den oft engen und schlecht belüfteten Klassenzimmern fürchtete man grippale Infektionen.
«Associazione italiana per l’igiene della scuola»
Das hier präsentierte aus Italien stammende Büchlein aus dem Jahr 1918 mit dem Titel «Per la scuola nuova» (Für die Erneuerung der Schule) ist das Werk der «Associazione italiana per l’igiene della scuola» (Verein für die Schulhygiene in Italien). Wie die zahlreichen Neuauflagen belegen, war es ein wahrer Publikumserfolg! Es entstand vermutlich unter dem Einfluss der Spanischen Grippe, und so ist es nicht verwunderlich, dass die beschriebenen Bemühungen um Schulhygiene – Händewaschen und Lüften, aber auch die Verlagerung bestimmter schulischer Aktivitäten wie Turnen und Singen ins Freie – stark an die Schutzmassnahmen der aktuellen COVID19-Pandemie erinnern. Die «Associazione italiana per l’igiene della scuola» setzte sich aus Lehrern und Schulärzten zusammen, die Bücher publizierten, Kongresse veranstalteten und auch die Zeitschrift “L’igiene della scuola” herausgaben. Dies stets im Hinblick auf die Rolle der Schule für die Gesundheit und das Wohlergehen der Kinder.
Das Phänomen der Freiluftschulen («scuole all’aperto»)
Nebst zahlreichen Berichten über gute Praktiken der Prävention und Sauberkeit in den Schulen enthält das Büchlein auch einen Bericht über Freiluftschulen («scuole all’aperto»). Im frühen 20. Jahrhundert entstanden zahlreiche solcher Schulen unter freiem Himmel. Dies eigentlich mit dem Ziel «lungenschwache» Kinder draussen, statt in engen und schlecht belüfteten Klassenzimmern zu unterrichten, um so ihre Lungen und die allgemeine Konstitution zu stärken. Schnell erkannten Reformpädagogen, dass deren erzieherische Ideale in Freiluftschulen viel besser umzusetzen waren: Das Entdecken und Erklären der Umwelt, die Arbeit in kleinen Gruppen statt im Klassenverband, das individuelle Arbeiten abseits der Klassenkameraden, dies alles ist in einer Freiluftschule leichter möglich als in einem Klassenzimmer. Stets mit dem Ziel, das allgemeine Wohlergehen der Kinder in den Vordergrund zu stellen, verband sich hier die Bewegung für Freiluftschulen mit der Reformpädagogkik, die Bestrebungen zur Gesundheitsförderung mit den Bestrebungen zur Schulreform.
Das hier vorgestellte Büchlein ist somit ein Plädoyer für die Vereinbarkeit von schulhygienischen Bemühungen mit einer echten, tiefgreifenden Reform der Schule im Sinne einer auf das Kind zentrierten und seine autonomen Lernprozesse fördernden Pädagogik.
Weitere Informationen zu den italienischsprachigen Beständen der Sammlungen Pestalozzianum
Im Rahmen eines durch die Stiftung Pestalozzianum ermöglichten Projekts erforscht ein Team der Pädagogischen Hochschule Tessin die italienischsprachigen Bestände der Sammlungen Pestalozzianum. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.